[Fachartikel] Funktionale Sicherheit – Teil 1
20. April 2012 | ABGS GmbH | Kategorie Wissen
Für Praktiker, die eine Interpretationshilfe bei der Anwendung von Normen zur Funktionalen Sicherheit benötigen, wird ein Überblick zum Aufbau und zu den grundsätzlichen Anforderungen der Grundnorm DIN EN 61508 und der abgeleiteten bereichsspezifischen Norm DIN EN 61511 gegeben.
Sie gelten als wichtige Bewertungsmaßstäbe und Regeln der Technik, von denen abgewichen werden kann, wenn die gleiche Sicherheit auf andere Weise erreicht wird.
Die Norm DIN EN 61508 Funktionale Sicherheit sicherheitsbezogener elektrischer/elektronischer/programmierbarer elektronischer Systeme
besteht aus:
- Teil 0: Funktionale Sicherheit und die IEC 61508
- Teil 1: Allgemeine Anforderungen
- Teil 2: Anforderungen an sicherheitsbezogene elektrische/elektronische/programmierbare elektronische Systeme
- Teil 3: Anforderungen an Software
- Teil 4: Begriffe und Abkürzungen
- Teil 5: Beispiele zur Ermittlung der Stufe der Sicherheitsintegrität (safety integrety level)
- Teil 6: Anwendungsrichtlinien für IEC 61508-2 und IEC 61508-3
- Teil 7: Überblick über Verfahren und Maßnahmen
Die Norm ist maßgebend für Gerätehersteller und Gerätelieferanten.
Die Norm DIN EN 61511 Funktionale Sicherheit-Sicherheitstechnische Systeme für die Prozessindustrie
besteht aus:
- Teil 1: Allgemeines, Begriffe, Anforderungen an Systeme, Software und Hardware
- Teil 2: Anleitungen zur Anwendung des Teils 1
- Teil 3: Anleitung für die Bestimmung des Sicherheitsintegritätslevels
Die Norm ist maßgebend für Planer, Errichter und Nutzer von sicherheitstechnischen Systemen.
Beim Einsatz einer Gaswarnanlage als sicherheitstechnisches System befindet sich die Fachfirma sowohl in der Rolle des Gerätelieferanten als auch in der des Errichters.
Die Technische Sicherheit von Systemen umfasst die Betriebssicherheit und die Angriffssicherheit. Funktionale Sicherheit ist der Teil der Gesamtsicherheit, der davon abhängig ist, dass ein System oder ein Betriebsmittel korrekte Antworten auf seine Eingangszustände liefert. Funktionale Sicherheit wird erreicht, wenn jede festgelegte Sicherheitsfunktion ausgeführt wird und die für jede Sicherheitsfunktion erforderliche Stufe der Leistungsfähigkeit erreicht wird.
Ein sicherheitsbezogenes System umfasst alles Notwendige (Hardware, Software und menschliche Faktoren), um eine oder mehrere Sicherheitsfunktionen auszuführen, bei der der Ausfall der Sicherheitsfunktion eine maßgebliche Zunahme des Risikos für die Sicherheit der Personen und/oder der Umgebung verursachen würde.
Ein sicherheitsbezogenes System kann ein allein stehendes Betriebsmittel umfassen, das dazu vorgesehen ist, eine bestimmte Sicherheitsfunktion auszuführen (z. Bsp.: eine Gaswarnanlage) oder kann auch in einer Anlage oder ein Betriebsmittel integriert werden (z. Bsp.: eine Gaswarnanlage zur Regelung der Lüftung).
E/E/PE ist eine Abkürzung für elektrisch/elektronisch/programmierbar elektronisch. Die Norm IEC 61508 definiert dies als basierend auf elektrischer und/oder elektronischer und/oder programmierbarer elektronischer Technologie. Ein elektrisches/elektronisches/programmierbares elektronisches System (E/E/PE-System) enthält eine E/E/PE-Einrichtung.
Ein Sicherheits-Integritätslevel (SIL) ist eine von vier Stufen, wobei jede einem Bereich der Zielwahrscheinlichkeit des Ausfalls einer Sicherheitsfunktion entspricht. Es ist anzumerken, dass ein Sicherheits-Integritätslevel eher eine Eigenschaft einer Sicherheitsfunktion als eines Systems oder irgendeines Teils eines Systems ist.
Folgende Begriffe sind für das Verständnis wichtig:
Risiko:
Als Risiko definieren die Sicherheitsnormen die Kombination aus der Wahrscheinlichkeit mit der ein Schaden auftritt und dem Ausmaß dieses Schadens. Die Eintrittswahrscheinlichkeit und damit das Risiko ist also umso höher, je häufiger die Komponenten eines Systems ausfallen.
Tolerierbares Restrisiko:
Die Sicherheitsnormen zielen darauf ab, die von Systemen ausgehenden Gefahren und Risiken auf ein vertretbares und tolerierbares Maß zu senken. Es wird daher immer ein Restrisiko vorhanden sein, das jedoch von der Gesellschaft akzeptiert werden kann, solange es geringer ist als bereits vorhandene Risiken, denen man täglich ausgesetzt ist.
Zuverlässigkeit und Verfügbarkeit:
Die Ausfallwahrscheinlichkeit beeinflusst aber nicht nur die Sicherheit, sondern auch die Zuverlässigkeit und Verfügbarkeit eines Systems. Da jedoch nicht jeder Ausfall einer Komponente zu einem gefährlichen Zustand führt, der einen Schaden zur Folge hat, sind Sicherheit und Zuverlässigkeit unterschiedlich zu bewerten.
Sicherer Zustand:
Wenn eine gefahrbringende Auswirkung ausgeschlossen werden kann, ist es oft möglich, das System mit geringen Einschränkungen weiter zu betreiben und dadurch die Zuverlässigkeit und Verfügbarkeit zu gewährleisten. Bei einem Ausfall mit gefährlicher Auswirkung kann das System dagegen nicht weiter betrieben werden und muss in einen sicheren Zustand überführt werden (z. Bsp.: Notabschaltung).
Verfügbarkeit und Wartbarkeit:
Die Verfügbarkeit eines Systems wird außer von der Ausfallwahrscheinlichkeit seiner Komponenten auch durch die Wartbarkeit beeinflusst. Während der Wartungs- und Reparaturzeiten ist ein System zwar sicher aber nicht verfügbar. Daher ist die Verfügbarkeit umso höher, je kürzer diese Zeiten sind.
Aktive und passive Sicherheit:
Bei der technischen Sicherheit von Systemen wird oft zwischen aktiver und passiver Sicherheit unterschieden. Unter aktiver Sicherheit sind alle Maßnahmen einzuordnen, die Gefahrsituationen von vornherein vermeiden helfen. Zur Erhöhung der passiven Sicherheit tragen alle Maßnahmen bei, die das Ausmaß eines Schadens begrenzen.
In den Sicherheitsnormen hat die Vermeidung von Personenschäden eine höhere Priorität als die Reduzierung von Vermögensschäden.
wird fortgesetzt
Gastautor: Dipl.-Ing. Dieter Seyfert
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© 2012 ABGS GmbH – Dipl.-Ing. Dieter Seyfert
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